Gutes tun & spenden
Die Anfänge des Heilig-Geist-Spitals reichen bis in die Mitte des 13. Jahrhunderts zurück.
Der Überlieferung nach sollen Heinrich Bubo und seine Frau Ursula den Spital gegründet haben. Ein ehemals über dem Eingang zum Spital angebrachtes gotisches Sandsteinrelief mit Dreifaltigkeit und Stifterpaar befindet sich heute noch im Spitalbesitz. Erstmals erwähnt wird der Spital 1264, als Lena, die Witwe des Ritters von Billafingen, gemeinsam mit ihren Söhnen ihr Gut zu Reute - die heutigen Reutehöfe - dem Armenspital „hospitali pauperum“ zu Überlingen verkaufte.
Vermögende Bürger folgten dem Beispiel der Stifter und sicherten sich durch Schenkung von Gütern Unterkunft und Pflege im Alter. Mit reichen Jahrtagsstiftungen für sich und ihre verstorbenen Angehörigen bewahrten sie ihr Andenken und sorgten für das eigene Seelenheil. So kam der Spital schon in den Anfangsjahren zu beträchtlichem Besitz, erhielt Häuser, Weinberge und Ländereien übereignet.
Im 14. und 15. Jahrhundert baute der Spital seinen Grundbesitz systematisch aus und profitierte dabei vom Niedergang des umliegenden Adels. Höfe, Dörfer und ganze Herrschaftskomplexe wie im Fall der Familie v. Hohenfels kamen so an den Spital.
Um 1500 gehörten zum Landbesitz des Spitals 33 Dörfer, Weiler und Höfe sowie zahlreicher Streubesitz, so dass er in nahezu 100 Orten begütert war. Die spitälische „Landschaft“ war untergliedert in die fünf Ämter Bambergen, Bonndorf, Denkingen, Sernatingen (=Ludwigshafen) und Sohl, die gleichzeitig die Hauptorte des jeweiligen Verwaltungssprengels bildeten.
Letztlich reichten die Liegenschaften des Spitals bis vor die Tore von Pfullendorf und Stockach. Die reichen Einnahmen aus Lehengütern, Herrschaftsrechten und dem Waldbesitz, vor allem aber Gewinne aus dem Weinbau, ließen den Spital rasch zu einem bedeutenden Wirtschaftsbetrieb der Reichsstadt heranwachsen.
Zunächst dürften die Stifter selbst ihr Spital verwaltet haben. An ihre Stelle trat eine Laienbruderschaft, deren Mitglieder auch die Pflege der Insassen übernahmen und an deren Spitze ein Meister stand.
Zu Beginn des 14. Jahrhunderts übernahm der Rat der Reichsstadt die oberste Aufsicht über das Vermögen. Aus der Mitte des Rats wurden Pfleger ernannt, die wöchentlich über die Vorgänge im Spital zu berichten hatten. Sie waren es auch, die im Wesentlichen die Erwerbspolitik des Spitals bestimmten.
Die Anstalt wurde mehr und mehr zu einer städtischen Einrichtung, über deren Grundbesitz der Rat die Hoheitsrechte ausübte. Leiter und Aufseher des Spitals war der Spitalmeister, der auch selbst dort wohnte und als Hausvater fungierte. Ihm stand noch eine größere Anzahl von Dienstboten und Handwerkern zur Seite.
Ursprünglich hatten Bürger wie Nichtbürger Anspruch auf die Hilfe des Hospitals und wurden, je nach Nutzen für den Spital, in verschiedene Klassen eingeteilt.
Arme, die nichts besaßen oder nur ihren Hausstand einbringen konnten, wurden aus christlicher Nächstenliebe und um „Gottes Willen“ aufgenommen und als „Unterpfründner“ bezeichnet. Vermögendere „Oberpfründner“ wohnten im oberen Stock des Spitals. Sie bezahlten ihre Pfründe in Form von Grundstücken oder Geld und wurden zu Arbeiten für den Spital herangezogen. Oft bekamen sie auch ein Amt übertragen. „Herrenpfründner“ entrichteten ein hohes Eintrittsgeld und erfuhren dafür eine bevorzugte Behandlung, sowohl was die Verpflegung als auch was die Unterbringung anbelangte. Sie verfügten über eigene Wohn- und Schlafzimmer sowie über eigenes Personal.
Das Leben im Spital war für die „Unterpfründner“ nach heutigen Begriffen sehr einfach, ja ärmlich. Mehrere Pfründner teilten sich eine Kammer. An vier Tagen in der Woche erhielten sie etwas Fleisch, abends Mus oder Suppe. Die Verpflegung der „Ober-“ oder „Herrenpfründner“ richtete sich nach den Pfründverträgen und glich zumeist der des Spitalmeisters. Angereichert wurde die Kost durch Stiftungen, die zumeist mit Jahrtagen zusammenhingen. Durchschnittlich waren es etwa 100 bis 130 Pfründner, die im Spital Unterkunft und Verpflegung fanden.
Untergebracht waren die Pfründner spätestens ab 1351 im Pfründhaus am See, dem eine Kapelle zum Heiligen Geist angeschlossen war.
Es lag zentral zwischen dem Kornhandelshaus der Gred und dem Fahrtor, an dem die Personenschifffahrt abgewickelt wurde. Der Spital bildete einen in sich abgeschlossenen Gebäudekomplex, der über die Jahrhunderte ständig erweitert wurde. Neben dem Kernbau mit Kapelle entstand so u.a. das langgestreckte Pfründnerhaus direkt am Seeufer. Zum Ensemble gehörte auch das Wirtshaus „Zum Schäpfle“, die Wohnung des Kanzleidieners und ein Aufbau auf dem städtischen Schlachthaus, der als Kinderzimmer für die Waisenanstalt diente. Zuletzt kam 1714 noch die Spitalkanzlei hinzu, in der die Spitalverwaltung untergebracht war.
Daneben unterhielt der Spital mehrere Wirtschaftsgebäude mitten in der Stadt. An erster Stelle zu nennen ist das Steinhaus, das als Fruchtschütte und Weinkeller genutzt wurde und zu dem ein Torkel (=Weinpresse) gehörte. In diesem ehemaligen Torkelgebäude ist heute die Stadtbibliothek untergebracht. Dann besaß der Spital einen weiteren Fruchtkasten in der Krummebergstraße und das Gasthaus „Zur goldenen Krone“, das aus Geldnot 1636 verkauft werden musste. Außerhalb der Mauern vor dem Obertor befand sich noch das Leprosorium, das als Nebenspital zur Unterbringung von Aussätzigen diente.
Klimatische Veränderungen zu Beginn des 15. Jahrhunderts beeinträchtigten auch die Spitalwirtschaft und ließen die Einnahmen nicht mehr so reichlich fließen. 1428 wurde deshalb die Fürsorge des Spitals auf die Bürger der Reichsstadt beschränkt.
Dies galt sowohl für die Aufnahme von Pfründnern wie auch für die Unterstützung bei Armut und Krankheit. Für die nun ausgeschlossenen Nichtbürger wie Handwerksgesellen, Dienstboten und Armen, die sich nicht in das Bürgerrecht einkaufen konnten, wurde zum Ausgleich 1438 die „Spend“ gestiftet. Mit dem gering dotierten Stiftungsvermögen wurden vornehmlich Brotgaben an Hausarme in den Wintermonaten finanziert und dazu eine Großbäckerei in der Hafenstraße und eine eigene Mühle unterhalten.
Kostspielige Missbräuche, ständige finanzielle Forderungen der Reichsstadt und Misswirtschaft in der Verwaltung beschleunigten den Niedergang. 1558 wurde über den „Überlauf mit den armen Leuten im Gottshaus Spital“ geklagt und die Wohltätigkeit eingeschränkt, 1593 und 1597 musste die Aufnahme von Pfründnern ganz eingestellt werden. Verheerend wirkte sich die kaum zu leistende Verpflichtung zur Abgabe von Wein aus, die der Spital bei Einrichtung des Kollegiatstifts 1609 übernommen hatte. Letztlich trieben aber die Verwüstungen der Felder und Weinberge bei der Schwedenbelagerung 1634 und ständige Kriegslasten den Spital an den Rand des Ruins. Er verlor nahezu sein gesamtes Vermögen und musste einen Großteil seiner Höfe an Kreditgeber verpfänden. Bis zum Übergang an Baden 1802/03 konnte sich der Spital von den enormen Verlusten und Schulden nicht mehr erholen.
Die trostlose finanzielle Lage besserte sich erst, als 1821 die Verwaltung des Spitals dem Gemeinderat entzogen und durch einen katholischen Stiftungsvorstand mit dem katholischen Stadtpfarrer an der Spitze ersetzt wurde.
Die bäuerlichen Lasten wurden gegen Entschädigungszahlungen abgelöst. Vor allen Dingen aber die Umwandlung der Lehengüter in Privatbesitz (Allodifikation) verhalf dem Spital, die enormen Altschulden zu tilgen und ein ansehnliches Vermögen aufzubauen. 1854 bot sich die Gelegenheit, das ehemalige Franziskanerkloster anzukaufen und zu Zwecken des Spitals auszubauen. Das um die Mitte des 13. Jahrhunderts gegründete Kloster war von 1700 bis 1712 zum großen Teil neu erbaut worden und bot mit seinem langen Bau und den beiden Seitenflügeln Platz für über 50 Zimmer.
An Ostern 1857 konnte der neue Spital feierlich bezogen werden. Sogleich wurde mit dem Abbruch der alten Gebäude am See begonnen und der so gewonnene freie Platz, der heutige Landungsplatz, mit der Stadt gegen die Franziskanerkirche eingetauscht.
1867 wurde der katholische Stiftungsvorstand aufgehoben und, da der Spital als weltliche Anstalt angesehen wurde, von nun an auch wieder dem Gemeinderat unterstellt.
Zwei Jahre später 1869 wurden der Spital und die städtische „Spend“ zum Spital- und Spendfonds Überlingen vereinigt. Die nun folgenden Jahre bis zum Ersten Weltkrieg lassen sich als Blütezeit für Stadt und Spital ansehen. Spitalüberschüsse wurden zu gemeinnützigen Zwecken herangezogen. Der Spital finanzierte die Wasserversorgung, eröffnete 1883 ein Krankenhaus, errichtete repräsentative Verwaltungsgebäude und gab sie schlüsselfertig an die Großherzogliche Verwaltung weiter. Er baute Mietshäuser und kaufte das Reichlin-von-Meldegg-Haus, das er zum Städt. Museum herrichten ließ.
Ohne Spital wäre die rasante Entwicklung Überlingens zum bedeutenden Tourismusort und zur Amtsstadt Ende des 19. Jahrhunderts in der Form und in so kurzer Zeit nicht möglich gewesen. Zugleich kaufte der Spital wieder systematisch Land und Wald auf und bildete erneut mehrere arrondierte Hofgüter.
Nach dem zweiten Weltkrieg setzte sich der Spital für den sozialen Wohnungsbau ein. 1960 eröffnete er das noch heute bestehende Krankenhaus unterhalb von Aufkirch. Das alte Krankenhaus wurde zum Altersheim St. Ulrich umgebaut und seither mehrfach erweitert. Auch der alte Spital im ehemaligen Franziskanerkloster wurde 1995/96 erweitert und zuletzt 2005 als Alten und Pflegeheim St. Franziskus mustergültig saniert.
Derzeit ist ein neues Alten- und Pflegezentrum im Anschluss an das Krankenhaus in Planung. So wird der Spital- und Spendfonds Überlingen auch in Zukunft seinem Stiftungszweck, der Fürsorge für alte, kranke und bedürftige Menschen gerecht werden.
Text: Walter Liehner, Stadt- und Spitalarchivar
07551 99-1670